Limburg.  Am zweiten Verhandlungstag gegen den ehemaligen Leiter des Katholischen Rentamts in Hadamar, Werner J.-D., war der Zuhörerraum des großen Sitzungssaals im Limburger Landgericht proppenvoll  ...

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Ex-Rentamtsleiter log das Blaue vom Himmel. Ehemalige Freundin offenbart sein Doppelleben

Bild & Text: Fluck

Der Angeklagte... Die ehemalige Freundin und engste Mitarbeiterin des wegen Veruntreuung von 2,7 Millionen Euro angeklagten Mannes aus Lindenholzhausen offenbarte das Doppelleben des 55-jährigen Familienvaters.

Die 54-Jährige versicherte, von einem Betrug zu keiner Zeit etwas bemerkt und auch keinen Verdacht geschöpft zu haben. „Er hat mein vollstes Vertrauen ausgenutzt und mich missbraucht. Darunter werde ich noch lange leiden, wenn ich über diese Sache überhaupt noch einmal hinwegkomme“, sagte die Zeugin.

Die Bilanzbuchhalterin aus dem Westerwald war auf ihren Vorgesetzten offensichtlich hereingefallen. Vor 25 Jahren habe sich zwischen J.-D. und ihr ein freundschaftliches Verhältnis angebahnt. Er habe ihr erzählt, seine Ehe sei geschieden und von der Kirche annulliert worden. Seine Frau habe einen anderen Mann, die Kinder seien nicht von ihm und zur Adoption freigegeben. Seine Ex-Frau sei mit einem Amerikaner in die USA gereist.

Er, der Rentamtsleiter, habe auch mit dem Bischof gesprochen, pflege zu ihm ein freundschaftliches Verhältnis und wohne nun – wie dieser - im Priesterseminar. Sein Bruder sei in sein Haus in Lindenholzhausen eingezogen. Er habe dem Bischof von seinem neuen Verhältnis zu ihr erzählt und in ihrer Anwesenheit täglich mit ihm telefoniert: „Wahrscheinlich in die leere Leitung“, merkte die Zeugin an und fügte hinzu: „Ich habe ihm des Öfteren Geschenke für den Bischof mitgegeben, ihm auch etwas für den Advent gebastelt.

Die Frau war sichtlich aufgeregt. „Ich bin in psychischer Behandlung und in einem sehr labilen Zustand“, sagte sie und verlangte schon bald nach einem Glas Wasser. Der Vorsitzende Richter Josef Bill unterbrach die Sitzung für fünf Minuten.

„Jeden Sonntag hat sich Herr J-D. bei mir gemeldet. In einer SMS teilte er mir mit, er habe in Frickhofen einen Bauplatz gekauft, um mit mir zusammenzuleben. In Hadamar trug er nie einen Ehering. Gespräche über sein Privatleben hat er stets abgewendet; eine ehemalige Kollegin aus Lindenholzhausen durfte in Hadamar nicht über sein Privatleben sprechen. Als seine beiden Kinder zu Kommunion gingen und von seiner Silberhochzeit wusste in unserer Dienststelle niemand etwas.“ Einer anderen Kollegin habe er eine gefälschte Scheidungsurkunde vorgelegt. Er habe geleugnet, Opa geworden zu sein und behauptet, das Kinderbild an seinem Schlüsselbund sei der Nachwuchs seines Bruders.

„Er sagte immer, dass er mich liebt. In den letzten Jahren hatten wir kein intimes Verhältnis mehr“, sagte die Frau, die nicht mehr beim Bistum beschäftigt ist. Weil sie sich an der Stechuhr Freizeit erschlichen hatte, um ihre Eltern zu pflegen, verlor sie ihren Job. Dabei soll der Rentamtsleiter sie noch gedeckt haben.

Hoch und heilig versicherte die Frau, von den Machenschaften ihres Vorgesetzten nichts bemerkt zu haben („Ich will tot umfallen, wenn ich das gewusst hätte“). Sie habe auf seine Anweisung jeweils 7.500 Euro auf das Verrechungskonto gebucht und damit die Arbeit ihrer Vorgängerin fortgesetzt. Anfangs habe sie wiederholt gefragt und immer wieder die gleiche Antwort bekommen: „Das ist die Rückzahlung für ein Darlehen der Stadt Limburg für Baumaßnahmen des Kindergartens „Am Huttig.“ Die Buchungen seien später zur Routine geworden.

Neun Mal waren jeweils 100.000 Euro vom Rentamt zur Deckung dieses Kontos angewiesen worden. Auch daraus schöpfte sie keinen Verdacht. Einmal soll er sie sogar per Email angewiesen haben, mal eben 100.000 Euro anzuweisen. Ihr Chef habe das jeweils am Jahresende abgerechnet. Die Zeugin: „Ich habe wirklich keine Bedenken gehabt.“

Die ehemalige Mitarbeiterin räumte ein, von ihrem Vorgesetzten 10.000 Euro für die Renovierung ihres undichten Hausdaches geschenkt bekommen zu haben und dass darüber hinaus von 2004 bis 2009 mehrmals 3.000 bis 4.000 Euro bar auf ihr Konto eingezahlt wurden. Die Polizei erstellte eine Liste über insgesamt 60.000 Euro. Ein Raunen ging durch den Zuschauerraum. „Haben sie das Geld bekommen, damit sie ihre Augen zuhalten?“, fragte Richter Bill in Anspielung auf die Buchungen. Antwort der Zeugin: „Ich schwöre, so war das nicht“ und fügte an: „Er wollte mit mir eine gemeinsame Zukunft aufbauen, sonst hätte ich das Geld nie genommen.“

Frage des Richters: „Was haben sie sich dabei gedacht, wo das Geld herkommt?“ – Antwort der Zeugin: „Er hatte ein gutes Gehalt, Einnahmen aus einem vermieteten Asylantenhaus in Hausen und einem Haus in Dehrn. Die Zeugin: „Ich schwöre, dass ich nicht mit ihm unter einer Decke stecke.“ Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen die Bilanzbuchhalterin waren nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Joachim Herrchen „wegen nicht nachweisbaren Vorsatzes“ eingestellt worden. Der Angeklagte entschuldigte sich bei seiner Ex-Freundin, dass er sie in diese Situation gebracht habe.

Als weitere Zeugen kamen der Leitende Verwaltungsdirektor des Dezernats Finanzen beim Bischöflichen Ordinariat und der Referatsleiter Controlling als Zeugen zu Wort. Sie machten noch einmal das Problemfeld deutlich, den Betrügereien des Rentamtsleiters auf die Spur zu kommen. Er verstand es offenbar mit Geschick und Tricks sowie seines glaubwürdigen Auftretens, seine Kollegen an der Nase herumzuführen, anstehende Prüfungen der jeweiligen Jahresabschlüsse mit nebulösen Formulierungen aufzuhalten und so die Aufklärung von Sachverhalten zu umgehen, bis ihm der Finanzdirektor des Bistums Ende September vorigen Jahres eine allerletzte Frist setzte. Diese hatte den Angeklagten schließlich veranlasst, sich zu offenbaren. -flu-


[Hier] im Webauftritt von Lindenholzhausen.de finden Sie unseren Artikel "Untreue-Prozess: Berichte & Ergebnisse" mit der Historie und entsprechenden Links.