Limburg. Der langjährige Kassenchef des Limburger Bischofs war nicht nur im höchsten Maße kriminell, sondern auch überaus niederträchtig. Im Prozess um den Millionenbetrug im Bistum taten sich gestern vor 100 Zuhörern menschliche Abgründe auf. Die Rolle der Geliebten blieb zweifelhaft ...

Hinweis:
Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei
.

Prozess um Millionenbetrug im Bistum Limburg: Chef-Buchhalterin war die Geliebte und kassierte 60 000 Euro

Von Joachim Heidersdorf


25 Jahre lang hatten sie ein intimes Verhältnis, gestern würdigen sie sich zunächst keines Blickes. Mit leiser und stockender Stimme erzählt die 54-jährige ehemalige Chefbuchhalterin im Rentamt Nord in Hadamar, wie Werner Jung-Diefenbach sie jahrelang betrogen hat. Der Angeklagte, der zum Prozessauftakt ganz cool den Finanzskandal im Bistum erklärt hatte, läuft plötzlich knallrot an. Vor Scham? Jung-Diefenbach bleibt aber zumindest äußerlich ruhig.

Mittäterschaft unklar

«Ich habe nicht mit ihm unter einer Decke gesteckt», sagt die Zeugin. Doch, das hat sie! Zumindest privat. Und sie hat allein in den vergangenen fünf Jahren auch noch rund 60 000 Euro von ihrem Vorgesetzten kassiert, sagt der Vorsitzende Richter Josef Bill. Lautes Raunen im voll besetzten Zuhörerraum. Ob die Verwaltungskraft, die fast immer die Barabhebungen in Höhe von 7500 Euro buchte, auch an den Unterschlagungen mitgewirkt hat, kann das Gericht nicht klären.

Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Herrchen erläutert, dass er das Ermittlungsverfahren gegen die Frau eingestellt hat, weil ihr kein vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden konnte. Trotzdem herrscht im Schwurgerichtsaal 129 des Landgerichts spürbares Unbehagen. Auch Richter Bill tut sich schwer, die Aussagen der vermeintlich ahnungslosen Zeugin zu verstehen.

Die Vertreter des Bistums glauben ihr nicht. Sie erinnern sich daran, dass die Mitarbeiterin anfangs ebenso «hoch und heilig» die Manipulation ihrer Arbeitszeit bestritten hat, bis sie ihr diesen Betrug doch nachweisen konnten.

«Ich habe diese Angelegenheit psychisch und physisch nicht verkraftet», berichtet die zierliche und gepflegte Frau. Bis zuletzt habe sie an eine gemeinsame Zukunft mit Werner Jung-Diefenbach geglaubt. Deswegen habe sie auch bedenkenlos sein Geld angenommen, sagt sie auf den Vorhalt des Richters. «Ich dachte, das fließt eh mal in einen Topf.»

Die Darstellung der Buchhalterin: Der ein Jahr ältere Werner Jung-Diefenbach versichert ihr, er sei geschieden, die Ehe auch nach Kirchenrecht annulliert, seine beiden Töchter nicht von ihm. Die Ex-Frau ist mit ihrem neuen Partner nach Amerika ausgewandert. Er selbst lebt im Limburger Priesterseminar – unter einem Dach mit Bischof Franz Kamphaus, quasi ein guter Freund von ihm. Der Bischof sei mit dem Verhältnis einverstanden. Der Rentamtschef telefoniert täglich in ihrem Beisein mit dem Bischof und erzählt von ihr. «Wahrscheinlich hat er in eine tote Leitung geredet», sagt sie gestern. Einer Arbeitskollegin, ebenfalls eine Geliebte, zeigte er eine gefälschte Scheidungsurkunde.

«Als ich von den Veruntreuungen gehört habe, ist für mich eine Welt zusammengebrochen», beteuert die Zeugin. Ihr sei nie aufgefallen, dass Werner Jung-Diefenbach ein Doppelleben führt, und sie habe niemals Verdacht geschöpft, dass er Geld unterschlägt.

Dann entschuldigt er sich


Richter Bill hakt immer wieder nach. Er begreift weder, dass eine Buchhaltungsleiterin alle paar Tage Barabhebungen verbucht, ohne stutzig zu werden (fast drei Millionen Euro seit dem Jahr 2004), noch dass eine Ehefrau in spe 25 Jahre lang nicht weiß, wo ihr künftiger Gatte wohnt.

Verzweifelt wendet sich die Zeugin nun direkt an den Angeklagten: «Werner, sag’, dass ich nichts wusste!» Jung-Diefenbach: «Ja, das stimmt.» Und dann entschuldigt er sich bei seiner Geliebten. hei


[Hier] finden Sie den Original Artikel auf der NNP Seite mit eventuellen Kommentaren unter dem Artikel.

[Hier] im Webauftritt von Lindenholzhausen.de finden Sie unseren Artikel "Untreue-Prozess: Berichte & Ergebnisse" mit der Historie und entsprechenden Links.