Limburg. Werner Jung-Diefenbach muss für seinen Millionenbetrug sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Viele der 100 Besucher reagieren mit Kopfschütteln. Aber nach der 44-minütigen Urteilsverkündung gibt es im vollbesetzten Zuhörerraum leisen Beifall ...

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Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei
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Kammer geht mit Jung-Diefenbach hart ins Gericht/Erhebliche kriminelle Energie
 
Werner Jung-Diefenbach muss wegen Veruntreuung mehr als sechs Jahre ins Gefängnis.
Bild: Werner Jung-Diefenbach bei der Urteilsverkündung.
Er muss wegen Veruntreuung mehr als sechs Jahre ins Gefängnis.


Der langjährige Rentamtsleiter hätte für seine Unterschlagungen eigentlich 362 Jahre hinter Gitter gemusst. Für jede einzelne Tat hat die 5. Strafkammer am Landgericht ein Einzelurteil gebildet, erläutert der Vorsitzende Richter Josef Bill: Ein Jahr Haft für jede Barabhebung in Höhe von 7500 Euro! Für Tat und Schuld angemessen halten die zwei Berufs- undzwei Laienrichter eine Gesamtstrafe von sechs Jahren und drei Monaten.

Bill stellt ein weiteres Rechenspiel an, um das Ausmaß des angerichteten Schadens zu verdeutlichen. Der Oberstaatsanwalt hat 30 Minuten gebraucht, um die 362 Untreue-Fälle ganz knapp aufzuzählen. Und dabei ging es nur um die noch nicht verjährten Delikte in den vergangenen fünf Jahren, die sich auf 2,71 Millionen Euro summierten. Insgesamt steckte sich der Kassenchef der Bistums-Außenstelle in Hadamar rund fünf Millionen in die eigene Tasche – Zins- und Steuerverluste nicht inbegriffen.

Riesengroße Dreistigkeit

Der Vorsitzende Richter hat mit dieser Summe offensichtlich Probleme. «Wer in guten Verhältnissen lebt, kann sich ein Wohnhaus leisten», sagt er. «Aber das sind Peanuts im Verhältnis zu dem, was der Angeklagte mit erheblicher krimineller Energie zur Seite gebracht hat.» Bill prangert vor allem die Luxus-Reisen der Familie «ohne Rücksicht auf Kosten» an. In knapp drei Jahren gibt Jung-Diefenbach dafür rund 250 000 Euro aus. «Der Angeklagte hat dies mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit erklärt», so Bill. «Dabei gibt es keine fünf Leute im Saal, die diese Summe jährlich verdienen.»

Der Richter kritisiert die «riesengroße Dreistigkeit» des Angeklagten, «der sich durch nichts beirren ließ». Als Jung-Diefenbach aufgrund eines Ultimatums wusste, dass der Schwindel bald auffliegen würde, holt er weiter 7500 Euro in bar auf der Kreissparkasse. Die letzte «Beute» bringt er direkt 100 Meter weiter zu einer der beiden Töchter, die damit wie angeblich jeden Monat ihr Geschäftskonto ausgleicht. «Es fällt uns schwer, diese Darstellung zu glauben», sagt Bill. «Vielleicht war das auch ein Weg, um Gelder beiseite zu schaffen.» Die nachweisbaren monatlichen Beihilfen für die Zwillinge zwischen 3000 und 5000 Euro kommentiert der Richter skeptisch: «Ob das eine sinnvolle Förderung von Kindern ist, wagen wir zu bezweifeln.»

Die Kammer glaubt auch nicht, dass das gesamte Geld verbraucht ist. Allein 2006 und 2007 hätte Jung-Diefenbach knapp 1,4 Millionen Euro «in den Sand setzen» müssen. «Das wäre eine Riesen-Leistung und spricht seiner Darstellung von einer bescheidenen Lebensweise Hohn», sagt Bill.

Wirklich blind vor Liebe?

Genau so schwer fällt es ihm, die Rolle der Chefbuchhalterin im Rentamt einzuordnen, die 106 von 116 Buchungen ausführte, die Geliebte ihres Chefs war und regelmäßig Bargeld von ihm kassierte. «Das ist wirklich schwer nachvollziehbar, dass die Zeugin ihm das bei einer Liebesbeziehung über 25 Jahre alles geglaubt hat.» Die offene Frage, ob die Frau «wirklich blind vor Liebe» war oder bewusst an den Veruntreuungen mitgewirkt hat, würde den Angeklagten nicht entlasten. Auch nicht die fehlenden Kontrollen im Bistum. Der Hinweis, «man hat es mir zu leicht gemacht», sei bei der Kammer nicht gut angekommen, ebenso wie die «Züge von Selbstmitleid».

Der Tod des geliebten Vaters beim Bau seines Eigenheims habe ihn sicherlich belastet, sei jedoch kein Grund für das spätere Fehlverhalten. «Der Angeklagte ist nicht durch eine psychische Notlage quasi zwanghaft in diese Dinge hineingeraten», widerspricht Bill dem Lindenholzhäuser. Die «pathetischen Schilderungen» in diesem Punkt nennt er «reines Schönreden». Der Richter zerstört mit markanten Worten auch den «edlen Schein» und «die Aura des liebenden und treu sorgenden Familienvaters» – am Ende bliebe bestenfalls ein Zerrbild davon übrig.

Geschenk für Ortspfarrer


Den ersten Griff in die Kirchenkasse vor 25 Jahren erklärt Bill als Muster für den späteren Betrug: Das Geschenk zum 50. Geburtstag von Ortspfarrer Siegmund in Höhe von 1500 Euro rechnet der Mann zwei Mal ab, bei der Pfarrei in Lindenholzhausen und beim Rentamt. «Danach gab es kein Halten mehr», sagt Bill. Bis 1999 holte sich Jung-Diefenbach das Geld auf dem Konto von St. Jakobus Lindenholzhausen, danach über das Rentamt vom Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden Limburgs. Die Behauptung des Angeklagten, er habe die eigene Pfarrei nicht geschädigt, klingt für den Richter «ausgesprochen hohl». Eine später aufgetauchte Aktennotiz hält er für eine Fälschung, um den Verrechnungssaldo zu erklären.

Für die Kammer liegt ein besonders schwerer Fall der Untreue vor. Sie wirft Jung-Diefenbach vor, seine Stellung als Behördenleiter missbraucht und sich durch gewerbsmäßiges Handeln eine dauerhafte Einnahmequelle verschafft zu haben. Zu seinen Gunsten werten die Richter, dass er 55 Jahre lang ohne Vorstrafe durchs Leben gegangen ist und zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. hei
 
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