Inhalt

Was ist die KAB | Wirtschaftl./gesellschaftl. Entwicklung-1914 | Entstehung Arbeitnehmerbewegung | Entwicklung Arbeitervereine | KAB heute | KAB im Netzwerk  | Gemeinde als Gemeinschaft | KAB Lindenholzhausen


Was ist die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung)?

"Wer die Vergangenheit nicht kennt, den kann es die Zukunft kosten", so sagt Rainer Kunze. Die Vergangenheit der KAB, die als Teil der Arbeitnehmerbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden ist, weist deutlich auf die Wurzeln hin. Dies ist einmal die Solidarisierung der arbeitenden Menschen, zum anderen die Beheimatung in der Kirche. Das sind Orientierungspunkte aus der Vergangenheit, die von einem Jubiläumsverein auch für die Zukunft übernommen werden sollten.


nach oben

Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung bis 1914

Farbwerke Hoechst Die Situation um die Wende zum 19. Jahrhundert stellt sich als Ende einer Epoche dar. Die 1000 Jahre zuvor waren vom feudalistischen System geprägt, das im Wesentlichen auf Landbesitz gründete. Durch Bevölkerungswachstum hatten zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung nicht mehr genügend Nahrung. Die Arbeitslosigkeit stieg an. Die Bauernbefreiung machte dem politischen System des Feudalismus endgültig ein Ende. Sie lief etwa von 1780 – 1835. Es kam von der Fronarbeit zur Lohnarbeit.

Der Prozess der Industrialisierung nahm in Großbritannien seinen Anfang. Die entscheidenden Erfindungen sind in England gemacht worden, dort wurde 1690 die Dampfmaschine erfunden.

Die erste Welle der Industrialisierung in Deutschland setzte um 1835 ein. Einige Männer hatten den Eisenbahnbau betrieben, so fuhr am 7. Juli 1835 die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth.

An den notwendigen Arbeitskräften herrschte durch Abwanderung vom Land in die Stadt und Bevölkerungswachstum kein Mangel, eher im Gegenteil. Die zweite Welle der Industrialisierung kam nach 1890. Man kann von 1873 - 1893 von einer gewissen wirtschaftlichen Stagnation sprechen, die auch die Gründerkrise genannt wird. Trotzdem kam es dann doch zu einem kontinuierlichen Weitersteigen der Wirtschaft bis 1914. 1893/95 kam eine Triebkraft. Damals wurde die Elektrizitätsverwertung die neue Lokomotive vor dem Zug der deutschen Wirtschaft. Es kam zu einem zweiten Spurt. Der Automobilbau mit der Gründung von Daimler-Benz begann 1890.

Das neunzehnte bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist von einem kontinuierlichen Bevölkerungsanstieg gekennzeichnet. Innerhalb von etwa 130 Jahren (ab 1788) verdreifacht sich die Bevölkerung. Das heißt dann von der Bevölkerungsdichte je Quadratkilometer.

Langfristig wurde der Lebensstandard gehoben. Die hygienischen Verhältnisse besserten sich. Seuchen, Kriege mit viel Bevölkerungsverlust und Hungersnöte blieben aus. Die Sterblichkeit pro Jahr und 1000 Bewohner sank von 28 auf 16, also um 43%. Im Produktionsbereich wuchs die Zahl der Arbeitskräfte. Im Bereich der Nachfrage stieg mit der Bevölkerung auch der Verbrauch.

Mit dem entstehenden Industrieproletariat kam die soziale Frage. Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts trat wieder eine Verschlechterung der Einkommenslage auf. Das Reallohnniveau war zwar gestiegen, trotzdem war die Einkommenslage weiter Bevölkerungskreise niedrig. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst schlecht. Um einen normalen Wochenlohn zu erhalten mussten 90 und mehr Stunden gearbeitet werden. Zeit zum Schlaf gab es oft nur sechs Stunden. Um die Familie zu ernähren, musste die Frau mitarbeiten, Frauen am Bau waren eine Selbstverständlichkeit. Bei Kinderarbeit ab vier Jahren waren auch 13 Stunden am Tag und 11 Stunden Arbeit bei der Nachtschicht an der Tagesordnung. Hinzu kamen die schlechten Wohnverhältnisse. Die Arbeitskraft konnte kaum über das 45. Lebensjahr hinaus erhalten werden. Das war noch bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges so.

Die Arbeitsverträge waren einseitige Diktate, sie waren fast ohne Rechtsgrundlage, reines Privat- vorwiegend Eigentumsrecht.

Es wurden aber auch die ersten Betriebskassen und Hilfskassen gegründet.

Etwa ab 1883 begann ein langfristiger stetiger Anstieg der realen Einkommen. Die Löhne stiegen von 1873-1914 real um 25%.


nach oben

Die Entstehung der Arbeiterbewegung

In der Arbeiterbewegung sind vom Ansatz her drei Grundansätze zu unterscheiden, die aber oft auch gemischt waren. Es gab politische Gruppierungen im Sinne heutiger politischer Parteien. Daneben bestanden Vereinigungen, die sich auf die eigentlichen Probleme der Arbeiter konzentrierten, sie waren mit den heutigen Gewerkschaften vergleichbar. Dann gab es Vereinigungen die außerhalb von Politik und der Durchsetzung von Arbeiterrechten arbeiteten, wie z.B. Arbeiterbildungsvereine.

Dann kam die Entstehung und Entwicklung der Gewerkschaften. Der Weberaufstand vom 4.-6. Juni 1844 in den schlesischen Orten Langenbielau und Peterswaldau war die erste proletarische Erhebung von großer und folgenreicher Bedeutung in Deutschland

Die erste Gewerkschaft gründeten 1848 in Mainz Delegierte von 12.000 Druckern und Setzern. Die zweite und eigentliche Gründungswelle der Gewerkschaften setzte 1861/62 mit der Gründung des Leipziger Buchdruckergehilfenvereins ein. Diese Gewerkschaftsidee verbreitete sich in zahlreichen Städten. Die Erfahrung des Arbeitskampfes spielte bei allen Gründungen eine große Rolle. Die Zahl der Arbeitskämpfe erhöhte sich in der Konjunkturkrise um 1872/73 in Deutschland, viele Berufsgruppen gründeten Arbeiterverbände.

Ab 1883 wurden die ersten Sozialversicherungsgesetze geschaffen. Die Krankenversicherung 1883 wurde zu zwei Dritteln von den Arbeitern, zu einem Drittel von den Arbeitgebern getragen. Die Unfallversicherung von 1884 war eine berufsgenossenschaftliche Haftung für Arbeitgeber für Betriebsunfälle. Gezahlt wurden Krankenversorgungen zur Wiederherstellung der Arbeitskraft, Erwerbsunfähigkeitsrente, Hinterbliebenenrente und Sterbegeld. 1889 wurde die Alters- und Invaliditätsversicherung geschaffen. Eine Arbeitslosenversicherung scheiterte, die Gemeinden mussten weiterhin die Last der Armenversorgung vor allem auch der Arbeitslosen tragen; dabei wurden sie von den Kassen der Gewerkschaften unterstützt.

1863 begann die Gründung sozialistischer Parteien in Deutschland vor allem mit Ferdinand Lassalle (1825-1864). Im gleichen Jahr gründete August Bebel (1840-1913) mit Anderen den marxistischen Verband Deutscher Arbeitervereine. 1869 gründeten August Bebel und Wilhelm Liebknecht (1826-1900, Vater von Karl Liebknecht) mit einigen Lassallianern in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP).

Mit den (Anti-) Sozialistengesetzen (ab 1878) versuchte Bismarck die sozialistischen Ideen ohne Erfolg zu bekämpfen. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bildete sich ein eigener Arbeiterstand heraus. Er hatte nahezu keine Rechte. Aber die Arbeiter begannen sich in Bildungsvereinen, Gewerkschaften und Parteien zu solidarisieren.


nach oben

Die Entwicklung der Arbeitervereine

Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler Ketteler wird zum Vordenker für die katholischen Arbeitervereine. Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler wurde am 25.12.1811 in Münster/Westfalen als Kind einer alten westfälischen Adelsfamilie geboren. 1844 wurde er in Münster zum Priester geweiht und 1846 Pfarrer von Hopsten. 1848 wurde er Abgeordneter in der Nationalversammlung in Frankfurt. Bekannt wurde er besonders durch seine Rede auf dem Ersten Deutschen Katholikentag in Mainz. Danach wurde er Probst von St. Hedwig in Berlin und 1850 zum Bischof von Mainz gewählt.

Er forderte die Solidarisierung der Arbeiter in den Gewerkschaften. Er verlangte bei seiner berühmten Rede auf der Liebfrauenheide bei Offenbach am 25. Juli 1869 den gerechten Lohn für die Arbeiter, denn dieser ist dazu angetan „der Menschenarbeit und dem Arbeiter (die) Menschenwürde zurückzugeben, die ihnen die Grundsätze der liberalen Volkswirtschaft geraubt haben."  Er hielt die Organisationssuche der Arbeiter für "berechtigt und heilsam, ja selbst notwendig." Bischof Ketteler setzte sich auch für den Streik ein und nannte die Behauptung, dass die Ausstände den Arbeitern geschadet hätten schlicht "unwahr". Für ihn war es notwendig, dass Arbeitszeitverkürzung mit Lohnerhöhung einhergeht. Er starb am 13.7.1877 in Burghausen (Oberbayern).

Die geistige Vorarbeit von Ketteler bereitete den Weg für die Gründung von Arbeitervereinen. Zuerst gab es Vorläufervereine. Die Katholiken suchten einen neuen Standort in Staat und Gesellschaft. Im Revolutionsjahr 1848 entstanden die „Piusvereine für religiöse Freiheit". In Regensburg wurde der älteste Verein der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung 1849 gegründet. Er entstand fast parallel zu den Kolpingsfamilien. Katholische Knappenvereine entstanden vor allem im Ruhrgebiet (Altenessen 1855, Essen 1856).

In Meiderich wurde 1857 der Michaelsverein gegründet, der den zugezogenen Arbeitern einen Ort in Kirche und Gesellschaft schaffen wollte.

Seit den sechziger Jahren im 19. Jahrhundert bildeten sich an Rhein und Ruhr über die Arbeiterschaft hinaufreichende „christlich-soziale" Vereine, die 1870 etwa 200.000 Mitglieder zählten.

Im Kulturkampf und im Zuge der Sozialistengesetze wurden viele Vereine verboten, Nach dem Kulturkampf und dem Sozialistenverbot lebte die christlich-soziale Bewegung wieder auf in pfarrlich organisierten Arbeitervereinen, christlichen Gewerkvereinen, Kolpingfamilien und dem Volksverein für das "katholische Deutschland".

Wanderarbeiter Für die Gründung von Arbeitervereinen setzte sich der Verein Arbeiterwohl, der überwiegend aus Unternehmern bestand, unter seinem Generalpräses Franz Hitze ein; dieser rief auf dem Katholikentag 1884 zur Gründung von christlichen Arbeitervereinen auf. Die Enzyklika "Rerum novarum" regte dies 1891 auch an. Danach entstanden vielerorts Arbeitervereine. 1886 bildete sich im Norden von Köln ein Arbeiterverein. Der Einfluss dieses Raumes strahlte über Wanderarbeiter auch in andere Gebiete aus, so kam es 1890 zum ersten Arbeiterverein im Bistum Limburg in Elsoff, übrigens mit einem Laien als Präses, der Pfarrer war Ehrenpräses.

1887 zählte die Bewegung in Deutschland 282 Vereine und 52.239 Mitglieder. Dabei waren auch Knappen- und Männervereine mitgezählt, so in Frankfurt am Main mit Gründungsjahr 1869. Der Verein in Frankfurt zählte damals 520 Mitglieder.

Am 26. und 27. Mai 1903 fand in Frankfurt der erste Arbeitervereinskongress aus Süd-, Nord- und Westdeutschland statt. In der Resolution wird als Ziel der sozialen Arbeit in den katholischen Arbeitervereinen "die Eingliederung der Arbeiter als eines gleichberechtigten Standes in die Gesellschaft" formuliert.

Der Erste Weltkrieg mit seinen grausamen Folgen belastete auch die Arbeit der Arbeitervereine. Im Sturm der Revolutionsjahre bewährten sich die katholischen Arbeiter als Beschützer von Ordnung und Freiheit. Schon vorher hatten sie den Kampf gegen das Dreiklassenwahlrecht begonnen und damit ihre politische Abstinenz aufgegeben. Zur religiösen und karitativen kam nun die staatsbürgerliche Erziehung. Mitglieder wirkten in den politischen Gremien mit.

Auf dem 2. Kongress des Kartellverbandes in Würzburg 1921 wurde der Gedanke zu einem eigenständigen katholischen Arbeiterprogramm verwirklicht, darin wurde scharfe Kritik an der Vermögensverteilung und an der Vormachtstellung des Kapitals geübt. Der Verband wuchs wieder, die Werkjugend wurde gegründet. 1927 wurde der Kartellverband in einen Reichsverband umgewandelt.

Schon früh war man um internationale Kontakte bemüht. 1928 fand der erste Kongress der Internationale in Köln statt. Die packende Festrede hielt Pfarrer Dr. Carl Sonnenschein.

Die Wirtschaftskrise von 1929-1932 legte alle Aufbrüche lahm. Das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg brachten dann das fast völlige Erliegen der Arbeit. Der Westdeutsche Verband, der einmal 534.000 Mitglieder gehabt hatte schmolz auf 5.000 Mitglieder zusammen.

Die KAB leistete dem Dritten Reich Widerstand. Das betraf die einzelnen Verbände und die Diözesanverbände, so wurde z.B. der Diözesanpräses von Köln in Dachau interniert. Schon im März 1933 wurde die "Westdeutsche Arbeiterzeitung" für die Dauer von drei Wochen verboten, später endgültig. Am 22. Juni 1933 wurden die katholischen und evangelischen Arbeitervereine von Hitler als Staatsfeinde erklärt. Nikolaus Groß z.B. wurde von den Nazis hingerichtet und vor einigen Jahren in Rom selig gesprochen. Der Abschluss des Reichskonkordates vom 8. Juni 1933 brachte dann aber zeitweise einen gewissen Bestandsschutz. Der Diözesanverband Limburg wurde 1939 zwangsaufgelöst.

Nach dem Krieg fing man mit 25.000 Mitgliedern im Westdeutschen Verband an. Nicht alle Bischöfe wollten wieder Verbände, die meisten unterstützten die KAB aber wegen ihres mutigen Einsatzes im Dritten Reich. Da setzte sich der Papst unmittelbar für die Verbände, vor allem für die KAB ein.

KAB Bundesleitung1971 wurde auf dem Verbandstag in Würzburg die Mitgliedschaft von Frauen im Verband geklärt. In der Aufgabenstellung spielte die Gastarbeiterfrage eine große Rolle. Anstelle des Werkvolkes trat die 1947 in Essen gegründete CAJ als eigenständiger Verband, der später von der Bischofskonferenz statt eines eigenen Jugendverbandes der KAB zugeordnet wurde.

Mitbestimmung und Gleichbehandlung von Frauen wurde gefordert. Das Gelsenkirchener Programm von 1950 fordert den Familienlastenausgleich, die Sicherung des Elternrechts und die Förderung der Erwachsenenbildung. Das Zweite Vatikanische Konzil brachte ab 1965 neue Impulse für die Arbeit in der Pastoralkonstitution, vor allem für gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen und im Verständnis der Kirche als Volk Gottes.

 In den folgenden Jahren trat immer mehr das Thema der Arbeitslosigkeit in den Vordergrund. Die Zukunft der Arbeit ist auch heute eines der bedeutsamen Themen des Verbandes. 2004 wurde ein einheitlicher Bundesverband gegründet.



nach oben

Die KAB heute

Es gibt in Deutschland 27 Diözesanverbände, die von den KAB-Vereinen/Ortsgruppen gebildet werden. Diese haben sich zum Bundesverband der KAB Deutschland e.V. zusammengeschlossen.
Wesentliche Kennzeichen der KAB sind:
  • Die KAB ist ein engagierter Sozialverband
  • KAB ist eine Bewegung für soziale Gerechtigkeit
  • KAB ist eine politische Bewegung
  • KAB ist eine Selbsthilfebewegung
  • KAB ist Bildungs- und Aktionsbewegung
  • Die KAB ist internationale Bewegung
  • Die KAB unterstützt zahlreiche Projekte von Arbeitnehmerorganisationen und KAB-Bewegungen in der so genannten Dritten Welt, vor allem durch das Weltnotwerk.
  • Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) gewährt ihren Mitgliedern kostenlosen Rechtsschutz auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes und allen Gebieten, die der Sozialgerichtsbarkeit zugeordnet sind.
  • Die KAB hat heute (2007) etwa 200.000 Mitglieder. Sie organisieren sich in 2.700 Vereinen/Ortsgruppen und Zusammenschlüssen und Initiativen. Hier geschieht vor Ort die Basisarbeit mit und durch die Mitglieder.
Ein Verein davon ist die KAB in Lindenholzhausen.


nach oben

Die KAB im „Netzwerk“

In der neueren Soziologie spricht man vom „enbedding“ der Menschen, das könnte als Entwurzelung oder Entörtlichung im geistigen und räumlichen Sinne verstanden werden. Bedingt ist dies durch die oben genannte Individualisierung. Es ist eine radikale Enttraditionalisierung von Lebensformen erfolgt. Das Großmilieu trägt nicht mehr. Die so genannte Masse hat keine prägende Kraft, das Individuum geht darin verloren. Auch neue Sozialmilieus, die auch als Lebensstilenklaven bezeichnet werden, sind in unserer Erlebnisgesellschaft eher „events“, die das Verfallsdatum schon in sich tragen. Es gilt in einer mobilen Gesellschaft in Selbstorganisation Beziehungszusammenhänge (Personifikation) zu schaffen, die über menschliche Zweckrationalitäten hinaus vom Glauben getragen werden. Es gilt eine neue geistige Verortung für die Menschen in aller Mobilität zu schaffen.

Hier ist die Aktivität der Christen selbst gefragt, die Beziehungs-Netzwerke in Gruppen bilden. Die Knotenpunkte dieser Netze sind die einzelnen Personen. Die über die kirchlichen hinaus in viele gesellschaftliche Netze verknüpft sind. So kommt es auch zu einer Vernetzung von kirchlicher und örtlicher Gemeinde. Diese Netzwerke leben erheblich von dem sich Begegnen von Angesicht zu Angesicht. Diese basisnahen Netze bauen auf unmittelbaren menschlichen Beziehungen auf und gewinnen von daher ihre dynamische Stabilität. Sie sind die Grundlage einer basisnahen gesellschaftlichen Organisation. Je weiter eine Organisation von der Basis weg ist verliert sie auch an Nähe zum Menschen. Andererseits braucht der Mensch aber auch dieses Netzwerk um einen Raum der Gestaltung für sein soziales Leben zu finden in dem er daheim ist.

Diese Netzwerke bilden sich intensiv an der Basis sowohl in ziviler als auch in kirchlicher Gemeinde. Durch viele Verknüpfungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit kommt es zu einer menschennahen Struktur, in der sich leben lässt. Es gilt in einer mobilen Gesellschaft in Selbstorganisation Beziehungszusammenhänge (Personifikation) zu schaffen. Die Menschen werden von Individuen zu Personen mit Gesicht, die sich auch von diesem Netzwerk getragen wissen. Die Pfarrei hat dabei die besondere Aufgabe über menschliche Zweckrationalitäten hinaus eine neue geistige Verortung für die Menschen in aller Mobilität zu schaffen.

Hier ist die Aktivität der Christen selbst gefragt, die Beziehungs-Netzwerke in Gruppen bilden. Die Knotenpunkte dieser Netze sind die einzelnen Personen. Die über die kirchlichen hinaus in viele gesellschaftliche Netze verknüpft sind. So kommt es auch zu einer Vernetzung von kirchlicher und örtlicher Gemeinde. Diese Netzwerke leben erheblich von dem sich Begegnen von Angesicht zu Angesicht. Daneben muss es die Netzwerke der professionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  geben, bei denen den Pfarrern noch einmal eine besondere Aufgabe der Vernetzung zum geistlichen Amt des Bischofs zukommt.

Aber auch der Pfarrgemeinderat muss sich als eine besondere Steuerungsgruppe in diesem Netzwerk verstehen. Nach Möglichkeit müssen die wichtigsten Gruppen auch dort vertreten sein, ggf. sind entsprechende Arbeitskreise zu bilden, nicht um zu reglementieren, sondern um den gemeinsamen Auftrag besser zu erfüllen.

Vom Konzept her ist für dieses Netzwerk und seine Gruppen die Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung. Diese geht vom Internet (hier kann der Raum und Bezirk Hilfestellung geben), über die Lokal- und Regionalzeitungen bis hin zu Pfarrbriefen und Schaukästen.

Diese Netzwerke sollten möglichst ortsnah sein, in die Lebenswelten der Menschen hineinreichen. Familie, Freundschaft und Nachbarschaft gehören zu hohen Werten in unserer Gesellschaft. Diese Netzwerke gehen aber in der Spezialisierung der Menschen über den ortsnahen Raum hinaus und verknüpfen sich in die Verbandsgemeinde (pastoralen Raum), den Bezirk, das Bistum bis in die Weltkirche hinein. Gemeinde als Netzwerk von Aktivitäten wird eine in die Kirche und Gesellschaft eingebundene Größe sein, die den Menschen Verortung im Sinne von Beziehungen mit Angesicht, Sinn- und Wertestiftung geben. Sie ist missionarisch, trägt aber auch zur Gemeindebildung bei.

Diese Netzwerke erstrecken sich in alle Funktionen der Gemeinde,

  • der Verkündigung (Beispiel Bibelkreis, Vereine, Seniorengruppen), hier ist Kommunikationspastoral angesagt, über die Netzwerke steht die kirchliche Gemeinde im kommunikativen Prozess der Ortsgemeinde, sie erfährt die wichtigsten Dinge aus dem Ort und kann ihrerseits sich aktiv am Ortsgespräch beteiligen.

  • der Liturgie (Beispiel MinistrantInnengruppe, Liturgiehelfer, Kirchenchor), hier ist Feierpastoral gefragt, der Zugang zur Liturgie muss offen gestaltet werden und präsent bleiben. Bei besonderen Anlässen wie Kirchweih und Dorffeste bringt sich auch die kirchliche Gemeinde in den Feiervorgang ein.

  • der Diakonie (Beispiel, Caritaskreis, Dritte Weltgruppe, Nachbarschaftshilfe), dienende Pastoral ist unverzichtbarer Auftrag, hier gilt es die Probleme von Menschen und Situationen zu erkennen.

  • Ganz wichtig ist aber auch immer wieder der Dienst an der Einheit in der kirchlichen Gemeinde und in die örtliche Gemeinde hinein. Versöhnung ist ein unverzichtbares Thema. Diese Grundaufgabe der Kirche, sich im Sinne des Reiches Gottes für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen, ist wesentlicher Auftrag von allen.

Es gibt noch eine Fülle von anderen Gruppierungen, die heute schon faktisch in diesem Netzwerk existieren.

Es ist darauf zu achten, dass alle Gruppen der Bewohner einer Gemeinde von den Altdörflern, über die Neudörfler und emanzipierten Dörfler bis zu den Randdörflern, besonders denen, die unter besonderen Belastungen stehen, eine Chance haben.

Eine solche Gemeinde arbeitet mit an der Entwicklung und Förderung der Dorfkultur. In gewisser Weise ist sie Lotse für die Lebenswelten des Dorfes. Das Netz muss aber auch weiter geknüpft werden in den Raum und darüber hinaus, wie oben schon dargelegt. Es geht um eine Präsenz der Kirche in der jeweiligen Region.

Dabei spielt die Ökumene eine besondere Rolle, weil die evangelische Kirche ja den gleichen Grundauftrag hat. Er sollte soweit als möglich und notwendig gemeinsam wahrgenommen werden.

nach oben

Es geht um eine Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften

Versöhnte Vielfalt ist der Ansatz der Pfarrei der Zukunft. Der Begriff „versöhnte Vielfalt“ stammt aus der Ökumene und soll das Zusammenspiel der unterschiedlichen Kirchen kennzeichnen. Es könnte aber auch auf die Pfarrei der Zukunft übertragen werden. Hier handelt es sich um ein plurales wenn nicht pluralistisches Bild, das aber bewusst auf Einheit hin abzielt ohne die Vielfalt zu unterdrücken. Ist in diesem Sinne nicht die Dreifaltigkeit die höchste Unterschiedlichkeit bei der höchsten Einheit? Geeinte Vielfalt könnten wir auch sagen. In Versöhnung kommt aber besser der Prozess des Versöhnens, der ständig notwendig ist, zum Ausdruck. Bischof Kempf nannte diese Gemeinde im Fastenhirtenbrief  „für euch und für alle“ 1981 „differenzierte Gemeinde“. Dies kann bestens ausgedrückt werden in dem Begriff der „Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften“ und ist hier mit einzubeziehen, in diesem Konzept geschieht Sammlung und Sendung der Gemeinde zugleich.

Das eschatologische (auf die Wiederkunft Christ ausgerichtete) Moment sollte in der Gemeinde/Pfarrei deutlicher zum Ausdruck kommen. Es beinhaltet die Völkerwallfahrt zum Zionsberg, ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, den Einsatz für die Armen und Schwachen. Diese Versöhnung, die mit Christus grundsätzlich gekommen ist, zugleich aber unter dem Vorbehalt des „noch nicht vollendet“ steht, soll durch die Gemeinde/Pfarrei in unserer Zeit und im jeweiligen Lebensfeld bezeugt werden. Dies vollzieht sich in den jeweiligen Diensten der Gemeinde/Pfarrei. Gemeinde ist immer unterwegs und entwickelt sich an ihrem Auftrag und den gesellschaftlichen Herausforderungen.

Beziehungen werden deutlich wirksamer sein, als Strukturen. Gewiss hat jede Pfarrei ihre Raumbezogenheit, aber die ihr verordneten festen Grenzen, die aus der klaren Abgrenzung des Zehnt herrührten, entsprechen nicht mehr dem Lebensgefühl des Menschen, auch wenn uns dies aus Gründen einer klaren Rechtslage nicht liegt. Beziehungen müssen primär zu Grundlagen von Strukturen werden.

Dies schließt eine kooperative Pastoral in Räumen nicht aus. Sie muss aber darauf achten, dass sie vom Prinzip her subsidiär ist, also den kleineren Gemeinschaften ihre originären Aufgaben (die drei/vier Grundfunktionen) nicht nimmt und ihr bei der Erfüllung dieser Aufgabe Hilfestellung gibt. Bei Aufgaben, die vom Konzept her über eine Ortsgemeinde hinausgehen, ist die originäre und wichtige Aufgabe der Räume. Hierbei kann sie auch ggf. Unterstützung von der nächsten größeren Ebene erwarten. Hier geht die Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften in die je größere Ebene weiter.

Aus den bisherigen Untersuchungen geht hervor, dass sowohl die zivile als auch die kirchliche Gemeinde in Lindenholzhausen intensive Netzwerke sind, die miteinander vielfältig verknüpft sind. So kann Menschlichkeit in die Gesellschaft eingebracht werden und auch von der kirchlichen Gemeinde ihr Auftrag die Welt mitzugestalten wahrgenommen werden. Wir sind nicht einfach machtlos, wir haben über diesen Weg Mitgestaltungskraft, die auf die jeweils nächsten Ebenen eingebracht und damit gesamtgesellschaftlich gestärkt werden muss.

nach oben

KAB Lindenholzhausen

[Hier] kommen Sie zur Historie der KAB Lindenholzhausen, die aus Anlass des 100-jährigen Bestehens im Jahr 2007 erstellt wurde.

[Hier] kommen Sie zu der Seite mit den Daten der KAB Lindenholzhausen.


[ Zurück ]
nach oben