Limburg-Weilburg. Kaugummi-Automaten – gibt es die überhaupt noch? Diese Frage kommt oft, wenn von den Wegbegleitern so mancher etwas weiter zurückliegender Kindheit die Rede ist. Es gibt sie auch heute noch, auch wenn sich in den vergangenen Jahren einiges geändert hat ...
Kaugummi-Automaten sind überall im Landkreis zu finden – Der richtige Standort ist wichtig
VON KATJA MIELCAREK
Bild: Kaugummi und mehr – die Automaten-Beschicker müssen sich heute einiges einfallen lassen.
Sie sind rot – meistens jedenfalls, hängen oft in Hüfthöhe und werden von den Erwachsenen oft übersehen, von den Kindern dagegen selten: Es geht um Kaugummi-Automaten, die schon vor Jahrzehnten eine magische Anziehungskraft auf viele Kinder ausgeübt haben und es heute immer noch tun, wie diejenigen versichern, die die Automaten füllen. „Wenn Sie einkaufen gehen, lassen Sie sich von der Ware verzaubern. So geht es den Kindern, die unbedingt eine blaue Kaugummikugel haben wollen, aber eine rote erwischen“, sagt Peter Bollig aus Oberbachheim. Der 81-Jährige, der früher als Verkaufsleiter im Außendienst Kosmetika verkauft hat, hat einen Teil seiner knapp 2000 Automaten auch im Norden des Landkreises Limburg-Weilburg stehen. Um genau zu sein, hat er nicht 2000 Automaten, sondern 2000 Schächte. Schacht nennen die Leute vom Fach die einzelnen Elemente, die in einem Metallkasten untergebracht werden, und das sind gerne auch mal zwei oder drei.
Füllung ist wichtig
„Der richtige Standort ist heute wichtiger als früher“, sagt Thomas Kirst aus Lorch, der rund 1000 Schächte sein eigen nennt, die er etwa im 100-Kilometer-Radius um Lorch herum aufstellt. Am liebsten an Schulen, Kindergärten und Bushaltestellen – halt überall, wo Kinder zwischen vier und zwölf Jahren unterwegs sind. Das ist die Hauptzielgruppe. „Früher sind die Kinder zu den Automaten gekommen, heute müssen die Automaten zu den Kindern kommen.“ Und auch die Füllung ist wichtig: Einfach nur noch bunte Kaugummi-Kugeln reichen nicht mehr. Auch wenn die nach wie vor gefragt seien, wie Kirst betont. Er isst selber gerne Kaugummi – natürlich nur aus dem Automaten. „Glauben Sie, ich kaufe den aus dem Supermarkt“, sagt Kirst. Er schwört auf den Geschmack „Water Melon“ von Dubble Bubble.
Kirst hat selber einen Großhandel und beliefert andere Kaugummi-Automaten-Besitzer mit dem Kaugummi und dem Krims-Krams, die nach Möglichkeit die Kinder begeistern sollen. Der Renner seien im Moment Festival-Bänder, die man im normalen Leben ums Handgelenk bekommt, wenn man auf einem Musikfestival war. „Heutzutage braucht man vier oder fünf von diesen Bändern, wenn man in sein will“, sagt Kirst. Und wenn man nicht auf ein Festival kann oder darf, dann holt man sich die Bänder halt aus dem Automaten.
Bei Peter Bollig laufen Center Chocks besonders gut. „Das sind Kaugummis, die sind so sauer, dass man den Kopf schütteln muss, aber beim Kauen werden sie dann süß“, beschreibt er. Oder Sticky, „eine klebrige Masse, die die Buben gerne den Mädchen in die Haare werfen, weil die Mädchen dann so quieken“. Da muss der 81-Jährige schmunzeln. Noch mehr ins Lachen kommt er, als er von dem Automaten vor der Schule in Mengerskirchen erzählt: „Da hatten wir eine Zeit lang Knallbomben drin.“ Bis eine Lehrerin ihn gebeten hat, doch bitte für einen anderen Inhalt zu sorgen, weil die Knaller immer im Schulbus gezündet würden. „Das haben wir dann natürlich gemacht“, sagt Bollig.
Kein Nachfolger in Sicht
Eigentlich würde er sich gerne aus dem Automaten-Geschäft zurückziehen, aber es fehlt an Nachfolgern. „Das Fernsehen hat schon über mich berichtet, danach habe ich viele Anrufe bekommen. Aber als es ums Geld ging, habe ich dann nichts mehr gehört.“ Kann man mit Kaugummi-Automaten überhaupt Geld verdienen? „Sonst würde ich es nicht schon seit 30 Jahren machen“, lautet Bolligs knappe Antwort.
Also fährt er weiter mindestens alle drei Monaten zu seinen Automaten, schraubt die Frontpartie ab, holt die alten Container raus, steckt die mitgebrachten und frisch gefüllten neuen rein. Sollte die Frontpartie arg ramponiert oder dreckig sein, wird sie kurzerhand ausgetauscht. Die richtige Arbeit beginnt dann zu Hause, wenn die Container auseinandergenommen, gereinigt und repariert werden. Jeder der Automaten-Beschicker hat eine gut ausgestattete Werkstatt samt Ersatzteillager zu Hause. In denen auch immer wieder unerwartete Sache zutage treten. „Im Prinzip stecken die Leute alles rein, was rund ist, nur um ein paar Cent zu sparen“, erzählt Bollig. Unterlegscheiben, Knöpfe oder Zwei-Cent-Stücke, die mit Staniolpapier auf die Größe eines 20-Cent-Stücks vergrößert werden. „Dass das dann für Verstopfung sorgt, ist ja wohl logisch“, schimpft der 81-Jährige, der sich immer wieder auch über Vandalismus ärgert. „Gerade der Jahreswechsel ist schlimm, wenn Knaller in die Öffnungen gesteckt werden.“ Aber was an den Automaten noch zu retten ist, wird in seiner Werkstatt wieder auf Vordermann gebracht.
Rostige Überbleibsel
Anderen Kaugummi-Automaten geht es schlechter. Rostig, löchrig und fürchterlich dreckig – das Exemplar, das an einem Haus an der B 8 in Lindenholzhausen hängt, hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen. „Ist kaputt. Schon seit Jahren“, sagt ein Mann, der enttäuscht wieder im Gebäude verschwindet, als klar ist, dass der Kasten nicht abgehängt, sondern nur fotografiert wird. „Ist wohl ein vergessenes Exemplar, sagt Thomas Kirst. Die Firma, die auf den verblichenen Schildern zu lesen ist, gebe es heute gar nicht mehr.
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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