Limburg-Weilburg. Die wichtigste Nachricht vorweg: Anders als im vergangenen Jahr, als wegen mehrerer Schlägereien und zahlreicher Sturzbetrunkener ein Großeinsatz der Rettungskräfte nötig war, blieb es in Dietkirchen gestern weitgehend friedlich ...
Bild: Am Lahnufer herrschte Picknick- und Partyatmosphäre. Fotos: Thies
„Es gab nach meinem derzeitigen Kenntnisstand keine Prügeleien. Es war lediglich eine Ingewahrsamnahme nötig, und in zwei oder drei Fällen mussten Rettungswagen Betrunkene abtransportieren“, berichtete Jürgen Begere kurz nach 17 Uhr, als sich die Lahnwiesen bereits zu leeren begannen.
Der Leiter der Polizeidirektion Limburg-Weilburg hatte den Einsatz in Dietkirchen selbst geleitet. Er schätzte die Zahl der Feiernden auf etwas über 1000, vor einem Jahr waren es mehr als doppelt so viel. Die größte Gruppe mit fast 300 Menschen kam aus Lindenholzhausen und war von Eschhofen aus von der Polizei bis nach Dietkirchen begleitet worden.
Bild: Aus Lindenholzhausen kam die größte geschlossene Gruppe nach Dietkirchen. Fotos: Thies
Zudem hatten sich die Lahnwiesen etwas später gefüllt als im vergangenen Jahr, so dass sich Stimmung und Alkoholpegel nicht über längere Zeit aufschaukeln konnten. Und auch das nicht ganz so heiße Wetter dürfte den Getränke- und damit den Alkoholkonsum in Grenzen gehalten haben. „Viele haben wohl im Vorjahr gemerkt, dass es nicht so angenehm ist, wenn alles aus dem Ruder läuft. Außerdem haben wir im Vorhinein öffentlich gemacht, dass wir verstärkt kontrollieren würden“, nannte Katja Leischner, die Jugendkoordinatorin der Polizei in Limburg, zwei Gründe für die verhältnismäßig ruhige Feier am Lahnufer.
Ihr Chef Jürgen Begere zeigte sich überzeugt, dass die Jugendlichen das deutlich sichtbare Auftreten von Polizei und städtischem Ordnungsamt wahrgenommen und sich entsprechend verhalten haben.
Katja Leischner war am Vormittag zusammen mit dem ehrenamtlichen Jugendschutzteam des Landkreises in den Nachbarorten rund um Dietkirchen unterwegs gewesen, um die Marschkolonnen der Jugendlichen vorbeugend anzusprechen (siehe Interview). Mit dem blauen Minibus des Landkreises machte das Helferteam an bekannten Treffpunkten wie dem Elzer Hirtenplatz, in Offheim am Bürgerhaus und dem Kaufland-Parkplatz in Limburg Station. „Habt ihr alle eure Ausweise dabei? Die Polizei kontrolliert in Dietkirchen genau“, sagten die Helfer und erinnerten die Volljährigen: „Denkt dran, dass ihr euren jüngeren Kumpels nichts mit Schnaps drin abgebt.“ Einige Jugendliche mussten die kleinen Likör-Klopferflaschen gleich am Jugendschutzmobil abgeben.
Wagen beschlagnahmt
Andernorts zogen Polizeistreifen die beliebten Einkaufswagen aus dem Verkehr, mit denen größere Mengen Alkohol nach Dietkirchen geschafft werden sollten und die anschließend oft auf dem Gelände blieben. Auch einige Strafanzeigen wegen Diebstahls waren die Folge. Schließlich gehören die Einkaufswagen den Supermärkten.
Die meisten Wandergruppen zogen allerdings mit Rucksäcken oder Bollerwagen nach Dietkirchen, die oft nicht nur Getränkevorräte, sondern auch mobile Musikanlagen transportierten, so dass das Lahnufer auf rund 300 Metern Länge sowie die angrenzenden Wiesen zur Partymeile wurden.
Bild: Mit ihren Proviant-Bollerwagen zogen die Wandergruppen in Dietkirchen ein. Fotos: Thies
„Der Abfall, der zurückbleibt, ist zwar ärgerlich, aber ich gönne den jungen Leuten, dass sie feiern wollen“, kommentierte der Dietkirchener Ortsvorsteher Bernhard Eufinger das Geschehen. (vt)
"Vorglühen" ist das Problem
Katja Leischner ist Jugendkoordinatorin der Polizei in Limburg. Sie sprach mit NNP-Mitarbeiter Volker Thies über die Strategie zum 1. Mai.
Bild: Katja Leischner
Das zum Teil ehrenamtlich besetzte Jugendschutzteam soll Probleme früh vermeiden, so dass Ihre Kollegen nicht als Staatsmacht eingreifen müssen. Funktioniert das?
LEISCHNER: Bei Disco- oder Kirmesveranstaltungen sind wir seit zwei Jahren an bekannten Treffpunkten unterwegs, an denen die Jugendlichen mit Alkohol „vorglühen“; beispielsweise auf Parkplätzen an Supermärkten oder vor den Gemeinschaftshäusern. Dort sprechen wir die jungen Leute darauf an und haben auch gute Erfolge, Fehlverhalten einzudämmen. Allerdings haben wir gemerkt, dass das am 1. Mai und insbesondere am Brennpunkt in den Lahnwiesen in Dietkirchen so nicht funktioniert.
Warum nicht, und was müssen Sie da anders machen?
Die Jugendlichen ziehen über Kilometer mit ihren Bollerwagen nach Dietkirchen. Unterwegs sprechen sie dem Alkohol zu, und man muss es so hart sagen: Wenn sie an der Lahn ankommen, sind viele schon so besoffen, dass man sie überhaupt nicht mehr ansprechen kann. Deshalb fahren wir in diesem Jahr erstmals mit dem Jugendschutzmobil des Landkreises schon um 9 Uhr los und suchen Tankstellen und Treffpunkte der 1.-Mai-Karawanen auf, um frühzeitig mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, wenn der Kopf noch klar ist. Wenn man das erst versucht, wenn einem wie im letzten Jahr 2500 größtenteils Betrunkene gegenüberstehen, ist es zu spät.
Als Erwachsener schimpft man ja gerne mal über „die Jugend von heute“. Hat sich das Fehlverhalten mit Alkohol wirklich verschlimmert?
Sicher waren wir früher nicht viel braver als die Jugendlichen heute, aber ich kann schon eine Veränderung feststellen. Früher hat man bei einer Feier getrunken, weil es schmeckte und weil man lockerer wurde. Heute habe ich den Eindruck, dass für viele Jugendliche der Alkohol zur Hauptsache geworden ist. Viele haben das feste Ziel, sich „wegzubeamen“, und trinken ganz gezielt harte Sachen in großen Mengen. Auch das Alter nimmt ab: Wir haben teilweise 13-jährige Mädels, die sich so betrinken, dass sie nicht mehr ansprechbar sind und einnässen. Ein großes Problem ist auch das Vorglühen vor Veranstaltungen, wenn Jugendliche vorher von zu Hause mitgebrachten Alkohol trinken oder sich ihn von älteren Freunden kaufen lassen. Dagegen sind dann auch die Veranstalter machtlos, die in ihrer großen Mehrheit den Jugendschutz sehr zuverlässig einhalten.
Mit welchen Problemen müssen Sie sich insgesamt als Jugendbeauftragte der Polizei auseinandersetzen?
Alkohol ist schon ein sehr großes Thema. Ein anderer wichtiger Komplex ist das Internet. Es gibt riesige Probleme mit Mobbing über Facebook, Whatsapp oder wie die verschiedenen Plattformen alle heißen. Da werden Hass-Gruppen gegen einzelne Jugendliche gegründet oder Nacktfotos rumgeschickt. Dazu werde ich verstärkt von Schulen zur Hilfe gerufen.
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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