Limburg-Lindenholzhausen. «Ich kann nur empfehlen, in jungen Jahren in die Kommunalpolitik einzusteigen. Dann lässt sich noch etwas bewegen», wirbt Franz-Josef Zeidler für den Einstieg. Er ist heute 73 Jahre alt, hat sich seit 1972 im Dorf, in der Stadt und seit 1997 auch auf Kreisebene engagiert ...

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Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei
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Politik mit Ausdauer, aber ohne Scheinwerfer und Publikum

Von Johannes Laubach

Ortsvorsteher Franz-Josef Zeidler

Bild: Ortsvorsteher Franz-Josef Zeidler


Zeidler ist kein Lautsprecher, keiner, den es in die erste Reihe drängt. Keiner, der Jahrhundertprojekte verfolgt und sich Denkmäler setzen muss. Seine Politik hat einen viel bescheideneren Anspruch, er selbst ist auch bescheiden.

«Wissen, über was ich rede», sagt er zum Beispiel. Das ist eine seiner Lebenserfahrungen und ausgerechnet damit setzt er einen Ratschlag eines politischen Gegners um: Irgendwann hat er einmal Heribert Reitz in einer politischen Diskussion gehört. Der große Mann der Limburger SPD hat ihn überzeugt und anschließend hat Zeidler ihn nach einem guten Rat gefragt, wie er denn selbst Politik machen soll. «Wissen, von was man redet», hat er zur Antwort bekommen – und es umgesetzt. Zeidler ist dabei gewissenhaft, manchmal sogar ein wenig penibel.

Wissen fehlt

Das genaue Wissen klappt im Dorf natürlich besser als zum Beispiel auf Kreisebene. Ein Beispiel: In Lindenholzhausen soll eine Altenwohnanlage gebaut werden. Eine wichtige Entscheidung für den Stadtteil. Natürlich hat sich Zeidler, teilweise mit Kollegen des Ortsbeirats, andere Einrichtungen in der Umgebung angeschaut, aber mit seiner Frau zusammen hat er auch Seniorenanlagen in Mainz und anderswo unter die Lupe genommen. Und wenn aus einem Acker Bauland werden soll, dann ist es für Zeidler einfach wichtig zu wissen, wo das Land genau liegt. Oder es soll eine neue Straße kommen, die am besten die Anwohner im Ort entlastet. Das sind Diskussionen, die nicht nur im Ortsbeirat geführt werden, sondern in einem Großteil der Bevölkerung. Wie zum Beispiel ganz aktuell die Diskussion um eine Rastanlage an der Autobahn.

«Leider zeigt sich dann oft, dass Informationen fehlen, dass viele, die dann mitdiskutieren, nur geringe Kenntnisse davon haben, was bisher gelaufen ist und was wirklich kommen soll», sagt er. Dabei hat er nach eigenen Angaben immer wieder dafür geworben, die Sitzungen des Ortsbeirats zu besuchen. Dort ist zum Beispiel ausführlich über die Verlegung einer Rastanlage von Linter in Richtung Berger Feld diskutiert worden. «Aber», so sagt Zeidler leicht resigniert, «unsere Sitzungen finden meistens unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.»

Wenig Interesse

Das Interesse hat nachgelassen. Und wenn der Ortsbeirat einmal Zuhörer hat, dann sind es nach Angaben des Ortsvorstehers Frauen und Männer, die sich selbst ehrenamtlich engagieren. Nicht in der Politik, sondern auf Vereinsebene. Zeidler schüttelt darüber den Kopf, denn trotz der immer weiter verbesserten Informationsmöglichkeiten nimmt die Kenntnis über das, was vor der eigenen Haustür passiert, ständig ab. «Es gibt nicht nur eine Pflicht von der Politik und der Verwaltung zu informieren, es gibt auch eine Pflicht der Bürger, sich kundig zu machen», sagt er.

Die überschaubare Welt, in der er Politik macht, ändert sich. Der Ort hat sich verändert und ändert sich weiter. Der Leerstand in den alten Häusern in der Ortsmitte ist nicht zu übersehen, dafür gibt es ganz viele neue Häuser rund um den größten Limburger Ortsteil. «Wir sind versorgt», sagt Zeidler über die Infrastruktur. Zwei Kindergärten, immerhin noch eine Grundschule, ein Einkaufszentrum, das klingt nicht schlecht.

Wandel des Verhaltens

Doch das Einkaufszentrum liegt am Ortsrand, wer dort einkaufen will, greift auf das Auto zurück. Im Ort, erzählt er, hat der letzte selbstständige Metzger vor einigen Monaten dicht gemacht und einen backenden Bäcker gibt es auch nicht mehr. Brot und Brötchen gibt es noch in Filialen von Großbäckern.

Es ist ein Wandel, der sich nicht nur in der Infrastruktur zeigt, es gibt auch einen Wandel in der Gesellschaft. Zeidler erwähnt dazu die Diskussion um den Endausbau einer Straße in einem Neubaugebiet. Es gab eine Anwohnerversammlung mit dem Ziel, die Straße so zu gestalten, dass langsam gefahren werden muss. Mit großen Blumenkübeln sollte dies erreicht werden. Die Planer hatten sich Gedanken gemacht und einige Standorte vorgeschlagen, die keine Ausfahrten störten. «Vor einigen Jahren wären in der Versammlung Anwohner aufgestanden und hätten sich angeboten, die Kübel zu bepflanzen und sich um sie zu kümmern. Jetzt sind Anwohner aufgestanden und haben mit juristischen Schritten und den Gang zum Verwaltungsgericht gedroht, wenn die Kübel an den ausgewählten Standorten aufgestellt werden», erzählt Zeidler.

Auf der einen Seite die Bürger, deren Anspruchsdenken immer größer wird. Und die ihre Beschwerden oft auch an den Ortsbeirat und seine Mitglieder richtet, der damit zum ein Windfang für das Rathaus wird. Auf der anderen Seite die geringe Einflussmöglichkeit, die Zeidler und seine Mitstreiter selbst haben. Der Ortsbeirat ist ein Gremium, das beratend tätig ist – ohne eigenes Antragsrecht, aber doch mit Vorschlagsrecht.

«Kleiner Dienstweg»

«Ich kann noch nicht einmal direkt an das Amt für Straßen- und Verkehrswesen schreiben. Alles läuft über die Stadt», sagt Zeidler. Das sind lange und langwierige Wege, auch wenn Zeidler die Belange des Ortsbeirats im Rathaus durchaus berücksichtigt sieht. Dazu ist es nach seiner Einschätzung aber auch notwendig, manchmal den «kleinen Dienstweg» zu nehmen, also persönliche Verbindungen mit einzubringen. Und es habe sich immer als hilfreich erwiesen, dass die Belange des Ortes fast ausnahmslos fraktionsübergreifend auf der Ebene der Stadtverordnetenversammlung vertreten wurden. Bisher waren CDU und SPD im Ortsbeirat, das wird sich wahrscheinlich nach dem 27. März ändern.

Auch die Rahmenbedingungen für die, die kleine Politik machen, ändern sich. Es wird schwieriger, sich politisch zu engagieren. «Das drangvolle Alter fehlt», sagt Zeidler. Das sind für ihn diejenigen zwischen 30 und 50. Da gibt es eine Riesenlücke. «Diese Jahrgänge kannst du nicht ansprechen, die stehen nicht zur Verfügung», sagt Zeidler. Die Arbeitsplätze sind weit weg, die Arbeitszeiten lassen ein ehrenamtliches Engagement kaum zu und von Seiten der Arbeitgeber, so Zeidler, gibt es auch immer weniger Entgegenkommen.

Da hat er ganz andere Zeiten und einen anderen Arbeitgeber erlebt. Die Bahn, für die er aktiv war, war ein Staatsbetrieb, der kommunalpolitisches Engagement und damit einen Einsatz für das Gemeinwesen gefördert hat, zum Beispiel in dem Mitarbeiter für Sitzungen oder Termine freigestellt wurden. «Wenn ich frühzeitig einen Termin angemeldet habe, dann war das in der Regel nie ein Problem, auch frei zu bekommen», sagt Zeidler, der seit 1955 in Lindenholzhausen zu Hause ist. Geboren und aufgewachsen ist er in der ehemaligen DDR.

Die richtige Zeit

Er blickt zufrieden zurück. Die neue Sportanlage, die Teilortsumgehung, das Einkaufszentrum sind die Großprojekte der vergangenen Jahre oder auch die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt, um die es im Vorfeld hitzige Diskussionen gab, um die es nun aber ruhig geworden ist. Die Befürchtungen von Anliegern, dass mit der Verengung der Fahrbahn der Verkehr nicht mehr fließt, haben sich nicht bestätigt.

«Das war schon ein tolles Gefühl, das Band bei der Eröffnung durchzuschneiden», sagt Zeidler über die Eröffnung der Teilortsumgehung, um deren Bau im Vorfeld selbstverständlich auch gerungen wurde. Politik an der Basis erfordert einen langen Atem und ist nicht durch kurzfristige Erfolge geprägt. Und Politik an der Basis erfordert die Einsicht, wann es Zeit ist aufzuhören. Für Franz-Josef Zeidler ist diese Zeit gekommen, schließlich gibt es auch noch eine große Familie. (jl)

Ortsgemeinden

Eine Regelung wie in Rheinland-Pfalz, das könnte sich Franz-Josef Zeidler gut vorstellen. Dort gibt es Ortsgemeinden mit einem Ortsbürgermeister. Auch sie sind in größeren Einheiten (Verbandsgemeinden) zusammengefasst. Doch die Ortsgemeinderäte haben finanzielle Mittel zur Verfügung, die im Ort investiert werden können. Das ist bei den Ortsbeiräten in Hessen nicht der Fall, egal wie groß der Ort ist. 2500 Euro erhält der Ortsbeirat als Verfügungsmittel für Lindenholzhausen, das mit seinen über 3400 Einwohnern zum Beispiel größer als die Gemeinden Elbtal (rund 2500 Einwohner) oder Merenberg (etwa 3350 Einwohner). jl

Jeden Tag an der Basis

Seit fast 40 Jahren ist Franz-Josef Zeidler in der Politik. Abseits der Scheinwerfer und der Kameras. Er ist ein kleines Licht, kümmert sich um die Belange in seinem Heimatort Lindenholzhausen, dort ist er seit 1992 Ortsvorsteher. Tägliche Politik an der Basis. Es sind die kleinen Dingen, die sein politisches Leben bestimmen. Der klappernde Kanaldeckel, der Acker, der Bauland werden soll. Zeidler, der seit 1968 der CDU angehört, muss Politik machen, ohne Wahlgeschenke versprechen zu können. Der Ortsbeirat verfügt über keine finanziellen Möglichkeiten, abgesehen einmal von 2500 Euro: Für einen Ort mit über 3400 Einwohner ist das so gut wie nichts. Mit der Wahl am 27. März endet die politische Karriere von Zeidler. Dann hört er auf, dann ist Schluss mit Ortsbeirat und Kreistag. Dann ist Schluss mit dem üppigen Salär von 20 Euro pro Sitzung und einer Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro Monat für den Ortsvorsteher. Dann hört einer auf, der zum Kitt der Gesellschaft gehört, der dafür sorgt, dass das System Bundesrepublik seit über 60 Jahren funktioniert.

Artikel vom 23. März 2011, 19.10 Uhr (letzte Änderung 24. März 2011, 04.33 Uhr)