Limburg-Lindenholzhausen. In den 70er/80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Bedenken laut, dass Mundart mehr und mehr an Bedeutung verliere ...

Lindenholzhausen - LINDENHOLZHAUSEN - Seppel Friedrich hat sein Leben dem Hollesser Platt verschrieben

Über seine eigenen Publikationen hinaus hat Seppel Friedrich zahlreiche Mundartbücher gesammelt und sagt: "Mir geht es darum, dass die Mundart erhalten bleibt."FOTO: dieter fluckBild: Über seine eigenen Publikationen hinaus hat Seppel Friedrich zahlreiche Mundartbücher gesammelt und sagt: "Mir geht es darum, dass die Mundart erhalten bleibt."FOTO: dieter fluck

Wer sich plattdeutsch ausdrückte, vermittelte den Eindruck, ein Hinterwäldler zu sein, nicht auf der Höhe der Zeit zu leben. Eltern befürchteten Nachteile im späteren Leben ihrer Kinder und verdrängten die Mundart, indem sie in der Familie nur Hochdeutsch sprachen. Verschiedentlich wurde die Sorge geäußert, Dialekte könnten in Vergessenheit geraten. Heimatkundler schrieben Ausdrücke und Redewendungen auf, um sie für die Nachwelt zu sichern.

Der negative Trend zur Mundart hat sich gottlob nicht bis in das 21. Jahrhundert fortgesetzt. Einer, dem die Pflege und der Erhalt der dörflichen Mundart zu verdanken ist, das ist Josef Friedrich, in Lindenholzhausen auch "Koch Seppel" genannt. Der 74-Jährige hat schon vor vielen Jahren das Verfassen von Mundartgedichten zu seinem Hobby gemacht. Dafür erfindet der gelernte Schmied keine Geschichten, sondern kleidet selbst erlebte amüsante Kindheitserinnerungen in wohlgesetzte Reime und trägt sie bei passenden Gelegenheiten vor.

Anfangs noch auf Familienfesten, so war die Bütt an Fassenacht nicht mehr weit. Es folgten Auftritte beim Dietkircher Maat, im Hessenpark Neu-Anspach, in Seniorenheimen und - nicht nur in Hollesse. Auch auf Wettbewerben trug Friedrich seine Gedichte erfolgreich vor.

Dieser Tage hat es der Mundartbabbeler auf die Homepage geschafft, die das Dorf aus Anlass der bevorstehenden 1250-Jahrfeier weltweit mit den Vorzügen und Eigenheiten seiner Einwohner vertraut macht und die schon bald 10 000 mal aufgerufen wurde. Mit Mundart dabei ist Rita Rompel, langjährige Fassenachtspräsidentin der "Cäcilia", die einst in ihrer ureigenen rustikalen Manier Fernsehzuschauer bei "Hessen lacht zur Fassenacht" zu Lachsalven herausforderte.

In der Familie nur Platt geschwätzt

27 Gedichte hat Seppel Friedrich auf der Homepage verewigt, wie "De Mudderdoochsstrauß", "Die Weihnochtsgans", "De Lumpe August", "De alte Sauerborn" - getreu dem Motto "Eisch was et noch" - so ein weiterer Titel.

"In unserer Bauernfamilie wurde nur Platt geschwätzt. Mundart liegt mir, weil ich früher in der Schule in der Rechtschreibung nicht so aufgepasst habe", scherzt der heutige Rentner, der an seinem 40. Geburtstag erstmals die Idee hatte, eine Erinnerung aus seiner Kindheit auf einem Blatt Papier festzuhalten.

"Als ich früher noch berufstätig war, hatte ich für spontane Einfälle einen Block auf dem Nachttisch liegen. Heute reift ein Thema in meinem Kopf. Ich mache mir Gedanken, wo die Geschichte beginnt und wo sie endet. Dann kann es schon mal schnell gehen, und das Gedicht ist in einer Stunde fertig", erklärt er den Unterschied zu früher. Wenn ihm dann spontan noch etwas dazu einfällt, wird es nachträglich eingebaut.

Später habe ihn der Heimatdichter Rudolf Dietz auf das eine oder andere Thema gebracht, was er, Friedrich, in Lindenholzhausen ebenfalls erlebt habe. Ein halbes Jahrhundert hat er als Protokoller der Cäcilia-Fastnacht das Dorfgeschehen glossiert und ist das eine oder andere Mal mit einem Beitrag im Jahrbuch des Kreises vertreten.

Über 30 Jahre hatte er im Industriepark InfraServ in Wiesbaden-Biebrich gearbeitet, war dann noch zehn Jahre für das Funktionieren der Haustechnik im Amt für Bodenmanagement im ICE-Gebiet zuständig.

In Biebrich wuchs sein Interesse für den nahe gelegenen Rheingau, wo Seppel Friedrich Kontakte zu Gleichgesinnten aufnahm und an Mundart-Matinees des Rheingauer Mundartvereins teilnahm. 2012 hatte Friedrich den Mundartwettbewerb der Nassauischen Neuen Presse in Elz gewonnen, 2019 dort den zweiten Platz belegt.

"Lauder biese Wäd(r)"

"Es gibt 3000 Dialekte in Hessen, die sich oft von Dorf zu Dorf unterscheiden", sagt er und spricht hierzulande von einer moselfränkisch abgeleiteten Variante. "Als ich mir wegen der Schreibweise meiner Gedichte Klarheit verschaffen wollte, hatte ich den Sprach- und Kulturwissenschaftler Professor Heinrich Dingeldein von der Uni Marburg gefragt, der unter anderem ein Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch verfasst hat. Der meinte damals: ,Schreib wie du es für richtig hältst. Du kannst nichts falsch machen.' Das hat mich ermuntert weiterzumachen; denn die Mundart darf nicht aussterben", sagt der verheiratete Vater zweier Töchter.

Schließlich sei von Goethe und Schiller wie auch von den Gebrüdern Grimm bekannt, dass sie Mundart gesprochen haben. In Limburg haben sich unter anderem der aus Lindenholzhausen stammende frühere Studiendirektor Bernhard Heun mit Gedichten und der einstige Schulrektor in Eschhofen, Anton Jung, um die Pflege der Mundart verdient gemacht. Letzterer verfasste vor 40 Jahren das Wörterbuch "Lauder biese Wäd(r)" mit Schimpf-, Spott- und Uznamen unserer Heimat.

Volksliedersingen beim Höfefest

Anlässlich der 1250-Jahrfeier, die Lindenholzhausen in diesem Jahr feiert, lädt die Familie von Seppel Friedrich beim Höfefest am Samstag, 28. Mai, in ihrem Hof, Wendelinusstraße 19, zu einem Volksliedersingen mit Mundartvorträgen ein. Die Veranstaltung beginnt um 12 Uhr und wird um 17.30 Uhr wiederholt. Der Stadtteil informiert auf seiner Homepage www.1250@linden holzhausen.de zum Dorfjubiläum. Seppel Friedrich ist mit seinen Mundartgedichten unter https://www.lindenholzhausen.de/mundart-etc zu finden. dfl

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.