Limburg-Weilburg/Rhein-Lahn. Als hessische Sängerhochburg gilt der Kreis Limburg-Weilburg. Die Realität sieht aber in vielen Orten anders aus. Selbst Fusionen und gemischte Chöre helfen vielerorts nicht mehr ...
Bild: Der 1862 gegründete Männerchor "Germania" Freiendiez gehört zu den Ausnahmeerscheinungen im Nassauer Land. Unter der Leitung von Jürgen Faßbender besteht der lebendige Chor aus etwa 65 aktiven Sängern im Alter von 15 bis 85 Jahren. Fotos: Dieter Fluck
VON DIETER FLUCK
Folgen von Nachwuchsmangel und Überalterung: Immer mehr müssen aufgeben
Mit dem MGV "Germania" Elz hat erneut ein traditioneller Männerchor aufgeben müssen. Nach 175, einst sehr erfolgreichen Jahren ist Schluss. Überalterung und Nachwuchsmangel machen selbst namhaften Chören zu schaffen. Es vergeht kein Jahr, da wieder Gesangvereine mangels Beteiligung sang- und klanglos aufgeben müssen. Das Wort vom Chorsterben macht die Runde.
Das Nassauer Land ist für seine vielen leistungsfähigen Chöre bekannt. So hat sich der Kreis Limburg-Weilburg über Jahrzehnte als hessische Sängerhochburg einen Namen gemacht. In jedem kleinen Dorf klangen Lieder aus Gast- und Gemeinschaftshäusern. Doch mit der Blütezeit scheint es vorbei zu sein.
Einige Beispiele aus dem Südkreis: In Niederselters hat der MGV "Liederkranz" vor vielen Jahren seine Arbeit eingestellt. In Eisenbach ist der MGV "Harmonie" zugrunde gegangen. In Oberselters singt der "Quartettverein" schon lange nicht mehr, ebenso der MGV "Eintracht" Würges. Allerdings gibt es dort noch einen Rentner- und gemischten Chor. Der Männerchor in Dombach ist verstummt; der MGV in Werschau hat seine Arbeit kürzlich eingestellt. In Dauborn, Neesbach, Heringen und Linter gibt es auch keine Laienchöre (Gesangvereine) mehr.
In Ennerich haben der Männerchor und der gemischte Chor schon vor längerer Zeit aufgegeben. Im benachbarten Rhein-Lahn-Kreis sieht es nicht anders aus. Erinnert seien dort an den Kirchenchor Balduinstein, an die Frauenchöre in Heistenbach und Lorheim sowie die gemischten Chöre in Birlenbach, Hirschberg und Oberneisen. In der Westerwaldgemeinde Görgeshausen gab es einen angesehenen Frauen- und Männerchor. Beide hatten keinen Nachwuchs und keine Perspektive mehr.
Ende der Ehrungskonzerte
Was ist los mit dem Chorgesang, den der Limburger Sängerkreisvorsitzende Gerhard Voss noch vor zwei Jahren beim Ehrungskonzert in Niedertiefenbach als schönstes Hobby pries und zugleich bedauerte, dass dies das letzte Ehrungskonzert der Sängerkreise Limburg und Oberlahn sein werde. Voss sagte, "dass diese Form der Ehrungskonzerte wohl nicht mehr zeitgemäß ist und das Interesse kontinuierlich nachgelassen hat".
Auch der Appell des ehemaligen Landrats Manfred Michel (CDU), dass man im Chorgesang bereit sein müsse, neue Wege zu gehen, hallt bis heute nach. Traditionschöre müssten sich auch über die Anpassung ihrer Literatur Gedanken machen, wenn sie junge Sänger gewinnen wollten, sagte Michel, der die Verantwortlichen aufforderte, Ideen einzubringen, damit der Chorgesang im Landkreis hochgehalten werden könne. "Ich fände es tragisch, wenn es in einer Kommune keinen Gesang mehr gibt."
Leider ist diese Tragik in zahlreichen Gemeinden bereits eingetreten. In anderen Orten haben angesehene Männerchöre mangels junger Stimmen fusioniert oder auf gemischte Chöre umgestellt. Auch manche der neuen Formationen gibt es schon nicht mehr. Beispiel Limburg: Dort hatten der MGV und die Limburger Chorfreunde zusammengefunden. Trotzdem kam das Aus. Stattliche Männerchöre haben einst die Region dominiert. Der MGV "Eintracht" Limburg imponierte einst mit 80 bis 100 Stimmen und versucht nunmehr als gemischter Chor zu überleben. Doch wie viele andere ist der Chor überaltert. Ansonsten gibt es in Limburg keine Gesangvereine mehr.
Den gleichen Weg hat, weil es anders nicht mehr ging, der einst so leistungsstarke MGV "Frohsinn" in Obertiefenbach beschritten. Das Problem ist überall dasselbe. Die reinen Männerchöre in Würges und Villmar (Quartettverein) haben sich verabschiedet und singen als gemischte Chöre. Auch in Mensfelden kann der Chor nur noch gemischt existieren.
"Weitere werden aufgeben müssen"
Bild: In seinem Arbeitszimmer in Limburg widmet sich Frank Sittel täglich der Musik.
Frank Sittel ist als langjähriger Leiter vieler Chöre der Region aktiv. Unser Mitarbeiter Dieter Fluck hat mit ihm über die Entwicklung der Chöre gesprochen.
Herr Sittel, sie begleiten und beobachten die Chorszene in der Region seit einem halben Jahrhundert. Worauf führen sie den Rückgang zurück?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste ist wohl die Veränderung unserer Gesellschaft. Die Struktur in unseren Dörfern hat sich gewandelt. Die Bodenständigkeit hat nachgelassen, die Zahl der Pendler zugenommen. Die Berufstätigen kommen später nach Hause, immer mehr junge Leute nehmen ein Studium auf. Sie würden in den Proben oft fehlen. Die Dörfer leiden unter Substanzverlust. Verändert haben sich zudem der Wille und die Bereitschaft, sich in die Vereine einzubringen.
Gibt es weitere Gründe?
Ja, ich stelle einen starken Rückgang der musikalischen Eigeninitiative fest. Das liegt nicht zuletzt am Einfluss der Unterhaltungsindustrie. Die Vielfalt der Medien und des musikalischen Angebots haben dazu geführt, dass die Motivation, sich selbst zu betätigen, stark nachgelassen hat. Es ist allemal bequemer, sich durch fertige Musik berieseln zu lassen.
Sehen Sie Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen?
Diese Situation ist nach meiner Einschätzung nicht mehr zu ändern und wird dazu führen, dass in Zukunft weitere Chöre aufgeben müssen.
Gesangvereinen wird oft nachgesagt, dass sie sich keiner zeitgemäßen Literatur bedienen. Damit könne man junge Menschen nicht begeistern. Wie können Chöre für den Nachwuchs attraktiver werden?
Wir wissen, dass Volkslieder heutzutage belächelt werden, auch wenn sie anspruchsvolle Texte bekannter Literaten wie Goethe, Schiller, Eichendorff oder Ludwig Uhland haben. Das finde ich schade und nicht angemessen. Bedenklich wird es aber, wenn es heißt "Wir müssen mal was Modernes singen - möglichst auf Englisch" und dann 75 bis 80 Jahre alte Männer im Takt mit dem Gesäß wackeln. Geben die sich nicht der Lächerlichkeit preis? Damit kann man jungen Menschen nicht imponieren.
Womit denn sonst?
Zunächst muss ich vorausschicken: Singen und Musizieren, das gab es zu allen Zeiten. Auch heute ist die Freude am Singen ungebrochen; Singen steht bei den Menschen hoch im Kurs. Wir haben qualifizierte Schulchöre und Musikensembles, die zu großartigen öffentlichen Aufführungen einladen, dazu die Domsingknaben oder etwa das Musikgymnasium in Montabaur.
Warum schließen sich ausgebildete Sängerinnen und Sänger nicht den örtlichen Gesangvereinen an?
Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Es ist so, dass in alteingesessenen Chören nicht immer die Pflege des Gesangs im Vordergrund steht. Nicht jeder Chor ist in der Lage, ein Weihnachtsoratorium oder eine Kantate aufzuführen. Die wenigsten Sänger, vor allem ältere, haben eine musikalische Grundausbildung - viele können keine Noten lesen. Sie schätzen die Gemeinschaft mit Altersgenossen und wollen weitermachen wie bisher. Die Interessenlage der Jungen ist aber oft eine andere. Sie sind zumeist strebsam und wollen sich weiterentwickeln. Sie sind dort total unterfordert und sehen ihre Ansprüche in zumeist überalterten Chören nicht erfüllt.
Werden sich die Menschen in unserer sangesfreudigen Region mit der schrumpfenden Chorvielfalt abfinden müssen?
Nein. Abgesehen davon, dass es bei traditionellen Chören Ausnahmen gibt, wird sich die musikalische Landschaft verändern. Es wird neue Chöre mit Menschen geben, die professionell singen wollen. Projektchöre zum Beispiel. Es bilden sich Vocalensembles mit zehn bis 15 Sängern, bestehend aus ehemaligen Domsingknaben, Musikstudenten und besonders Begabten. Das sind Halbprofis. Sie sind in erster Linie daran interessiert, ihre musikalischen Fähigkeiten auszureizen. Sie singen Volkslieder in hervorragenden Arrangements.
Können unsere Chorleiter solche Ansprüche erfüllen?
Es gibt genug gute Chorleiter. Auch die Angebote und Möglichkeiten für ihre qualifizierte Aus- und Weiterbildung sind so groß wie nie zuvor. Freilich können gute Leute dann auch höhere Honorare verlangen. Ob das bei zunehmendem Mitgliederschwund für Vereine leistbar ist, das ist eine andere Frage.
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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